Mittwoch, 6. Mai 2009
Schwarz und schweigend im Frühlingswind.
"Ich wusste, der Anfall war vorüber. Ich wusste, die Krisis meiner Krankheit war lange vorbei. Ich wusste, dass ich jetzt den vollen Gebrauch meines Gesichtssinnes wiedererlangt hatte – und dennoch war es finster – ganz finster – die tiefe Dunkelheit ewiger Nacht."
Edgar Allan Poe. Lebendig begraben.

Jeder von uns ahnt wohl, dass es sich mit hundert kleinen Lügen leichter leben lässt, als mit einer Wahrheit. Je tiefer, desto finsterer die Welt.
Nehmen wir einen Frühlingstag in der Stadt. Lauter junge Menschen, wie sie die "Erlebnismeilen" entlang flanieren. Luftige Joppen, weiße Kleidchen. Es herrscht eine Atmosphäre der Liebe und des Lachens.
Merkwürdig, denkt man, gibt es in Deutschland keinen Pflegenotstand mehr? Man beginnt, im Straßenbild die alten Menschen zu vermissen: Keine Großmutter mit Rollator trägt ihr Grau hinein in die Frühlingsgefühle, nirgends ein Enkel, der seinen Großvater bei der Hand genommen hat.
Wir wähnen uns in der Realität, irren aber durch Kulissen, die weder das Alter kennen noch den Tod.
Und wer von uns selbst nicht mehr unbedingt zum Frischfleisch zählt, kann sich sogar die volle Dröhnung geben, indem er auf die jungen Menschen ringsum zugeht:
"Da hat uns heute so ein Daddy angesprochen, voll krass! Unheimlich, ey." Wie in den Gruselfilmen, wo längst Verstorbene glauben, sie wären noch am Leben. Dabei benehmen viele Mädels und Jungs sich in unserer Gegenwart mittlerweile völlig ungezwungen, weil, da ist ja niemand.

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