Sonntag, 25. April 2010
Nude Visions.


Nude Visions. 150 Jahre Körperbilder in der Fotografie.
29. Jan. 2010 - 25. Apr. 2010
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.

Als Partner in einem sportlichen Wettstreit, anders habe ich Männer nie wahrgenommen. "Schlesinger, Du alte Gefechtsschlampe!" ist die Tonlage, die mir seit Bundeswehrtagen ausgesprochen gut gefällt.
Umso mehr verwundert mich das Freundschaftsgetue in der Weltliteratur zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Für mich reduzierten sich intensive Männerfreundschaften bisher auf die Frage, wie junge, relativ mittellose Männer damals an Bildnisse nackter Frauen gelangen konnten?
Tatsächlich wurden entsprechende Daguerreotypien, die seit den 1840er Jahren entstanden, in mit Samt und Seide ausgekleidete Schmucketuis gehandelt, deren Preis dem Wochenlohn eines Arbeiters entsprach.
Um 1900 aber gingen sogenannte "Akademien" mit Journalen wie "Le Nu Esthetique" in die Massenproduktion. Ein Mangel an Bildnissen des anderen Geschlechts kann es also kaum gewesen sein, der Männer zum gemeinsamen Nacktbad verführte.

Fotografien von Verstorbenen als Totenmasken aus Licht sind keine Seltenheit. "Nude Visions" ist für mich Grabkammer der Blüte des Menschen. Ein Sein, das begehrt, das ausgezahlt werden wollte, statt unter Modeerscheinungen begraben zu liegen. Schöne Worte großer Kunst mögen damals üblicher gewesen sein als heute. Mägde, die sich darbieten wie Schwäne, mal bemüht, mal geübt, verstorben allesamt.

Totes, zumal in schwarzweiß, fordert die Phantasie mehr als Lebendiges. Jenes Zwischenreich, welches unser Innerstes mit der Außenwelt verbindet. Ungestört von Enttäuschungen, kann der Betrachter sich vergangenen Mägden hingeben. Der Betrachter kann die Mägde kleiden, sie in ein wünschenswertes Leben hinein stellen, sich so seinem Menschenideal nähern. Die Welt von Gestern als die Welt von Morgen.

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